Fischernetze in den Bergen

°Circles — das Ende der Linearität

Episode 3

„Was bedeutet MONTREET eigentlich?“, frage ich Nadine Schratzberger, die Gründerin und Geschäftsführerin des nachhaltigen Modelabels in Wien.

„MONTREET ist eine Kombination aus Montagne oder Mountain, also Berg, und Street“, erklärt Nadine, und damit beschreibt schon der Name die Anwendungsbereiche der auffallend bunten Sport und Freizeitmode, die so nachhaltig sein möchte, wie Mode nur sein kann. Das Team von MONTREET greift dafür auf vielerlei Ingredienzien zurück, die auf eine ganz spezielle, zirkuläre Art und Weise ineinandergreifen!

Polyamid

Polyamid (PA) besteht aus langkettigen Kohlenwasserstoffen, die zu mannigfaltigen Fasern verarbeitet werden können und ist gerade bei Sport- und Outdoormode ein vielfach eingesetztes Material. Aufgrund seiner thermoplastischen Eigenschaften kann Polyamid gut recycelt werden. Und genau darum setzt MONTREET Polyamid (umgangssprachlich auch „Nylon“) ein, und zwar ein ganz besonderes Polyamid genannt „ECONYL“ der Firma Aquafil. Dieses Recyclinggewebe wird in Italien aus alten Plastikabfällen — insbesondere Geisternetzen — hergestellt, die von italienischen Fischern aus dem Mittelmeer geborgen werden. Diese so notwendige Meeresschutzmaßnahme — ein Großteil des Plastiks in den Ozeanen kommt von alten Fischernetzen — wird damit zur Rohstoffgewinnung und darüber hinaus wird italienischen Fischern eine weitere Einkommensquelle ermöglicht.

Econyl gibt den Bekleidungsstücken von Montreet seine Elastizität und Reißfestigkeit. Beim Wetterschutz hingegen, egal ob im urbanen Dschungel oder in alpinen Höhen, braucht es jedoch ganz andere Materialien.

Polyester

Und schon sind wir bei Polyethylen und den vielzitierten PET-Flaschen, die sich so wunderbar recyceln lassen. Damit der Wetterschutz perfekt ist, wird das so gewonnene Polyester noch mit einer Membrane aus dem bekannten Spezialgewebe „SYMPATEX“ versehen. In Sachen Nachhaltigkeit hat SYMPATEX im Bereich der wasserdichten Gewebe die Nase vorn, wird doch seit einigen Jahren stark auf ökologische und soziale Belange gesetzt. Vor allem bei kleinen Labels punktet SYMPATEX mit hohen Sympathiewerten, da ein offener Umgang mit der Marke gepflegt wird und kleine Unternehmen besonders unterstützt werden.

Für das Trägermaterial Polyester könnte neben PET-Recyclingmaterial künftig auch sogenannter „Dead Stock“ (ungebrauchte Stoffe, die zumeist aus dem asiatischen Raum stammen) eingesetzt werden.

Rizinus

Seit neuestem wird auf ein uraltes Hausmittel gesetzt: Aus den Kapseln des Rizinusbaumes wird Öl gewonnen aus welchem Fasern produziert werden, die zu einem elastischen Biogewebe verarbeitet werden. Im Fall von MONTREET kommen die Fasern von Fulgar und nennen sich „EVO“. In Italien wird aus diesen Fasern von Mglificio Ripa der Stoff hergestellt, der von MONTREET beispielsweise zu stylischen Leggings verarbeitet wird.

Dabei ist ein Thema für Nadine Schratzberger besonders wichtig: „Rizinus wächst auf kargen Böden und nimmt der Landwirtschaft daher auch keine nutzbaren Flächen weg!“

Berg-Stadt Leggings „Wild in the City“ auf Rizinus-Basis. Foto: MONTREET

Und überhaupt: die Kooperationen mit italienischen Firmen laufen ausgezeichnet. Italiens Textil- und Modebranche hat den Nachhaltigkeitstrend erkannt, setzt immer stärker auf Recycling und Ökodesign und wandelt mit kreativen Zugängen erfolgreich die alten Strukturen.

Apropos Kreativität — daran mangelt es Nadine und ihrem Team keinesfalls!

Artwork

Neben dem hohen funktionellen Anspruch, der Langlebigkeit und Geschlechterneutralität und der gelebten Nachhaltigkeit, stechen die Produkte des Labels durch schrilles plakatives Design sofort ins Auge und bleiben im Gedächtnis hängen. MONTREET arbeitet mit KünstlerInnen, die Jacken und Hosen ihren unverwechselbaren Stempel aufdrücken. Gefühlt macht es Nadine sichtlich Freude, damit aufzufallen und sich aus dem Mainstream abzuheben. Darum gibt es neben zwei jährlichen Kollektionen immer besondere Artist Editions. Die farbenfrohen Designs ermöglichen es MONTREET den Zuschnitt so zu optimieren, dass möglichst wenig Abfall entsteht und zusätzlich wird jedes einzelne Teil zu einem Unikat, einem eigenen Kunstwerk sozusagen.

Da gibt es zum Beispiel die Kollektion „Wild in the City“, die in Kooperation mit Nadine Hentrich von Guckschatz Design entstanden ist und eine kleine Bergwelt auf Leggings abbildet, die in der Stadt ein Hingucker und in der Natur oder beim Klettern ein lässiger Begleiter sind.

Design Nadine Hentrich/Guckschatz Design. Foto: MONTREET

So schließt sich auch hier der Kreis zu Manu Delago, dessen Band wettergeschützt in Montreets atmungsaktiver Radjacke im Design von Boicut 2021 durch Österreich radelte.

Nicht nur die Gewebe und Stoffe kommen aus Europa, sondern Montreet versucht, die Transportwege in der gesamten Wertschöpfungskette so kurz wie möglich zu halten. So werden die Stoffe in Coma, Italien bedruckt. Produziert wird, wie zum Beispiel die Hoodies aus nachhaltigen Hanf-Fasern, bei Scoop in Portugal. Und wenn man Nadine Schratzberger kennt dann weiß man, dass sie es bei ihren Produzenten mit rundum gelebter Nachhaltigkeit sehr ernst nimmt, sich persönlich davon überzeugt und mit Argusaugen darüber wacht! Das Ziel von MONTREET ist es, den gesamten Footprint auf ein Minimum zu reduzieren. Dafür werden ganzheitliche Zugänge entwickelt.

NutzerInnen, Nutzen und Nutzung

Das Wichtigste für Montreet sind die NutzerInnen, also die KundInnen selbst. Nadine und ihr Team setzen auf intensiven Austausch mit der Community, z.B. über auf Crowdfunding, um neue Kollektionen zu entwickeln. Damit können die Wünsche der Zielgruppe ideal erfüllt werden und nichts wird umsonst produziert.

Alles was da ist, soll so gut wie möglich genutzt werden. So bietet aufgrund der hohen Material- und Verarbeitungsqualität die Outdoormode selbst schon einen hohen Nutzwert und verspricht lange Nutzungsdauer. Doch MONTREET geht einen Schritt weiter und verarbeitet auch die beim Zuschneiden anfallenden Stoffreste, um Zero Waste Accessoires wie Neck Warmers, vielerlei verschiedene funktionale Bags und Scrunchies zu designen. Und dass MONTREET ein Reparaturservice anbietet, ist ohnehin selbstverständlich. Doch damit nicht genug!

Bags & More mit Zero-Waste Spirit und Design von Boicut und Saborka. Foto: ICT Impact GmbH

Das Geschäftsmodell wird ganz bewusst „outside — in“ und disruptiv weiterentwickelt. Es geht nicht um Wachstum per se, sondern um den bewussten Umgang mit Ressourcen. Daher kann man Jacken von Montreet mittlerweile auch mieten. Zum einen, um sich für einen kurzen Trip in die Berge zu rüsten, zum anderen einfach um die Jacke auszuprobieren und dann vielleicht später zu kaufen. Das Mietmodell steht erst am Anfang und wird in kooperativen Ansätzen mit KundInnen und jungen social Entrepreuners wie den Thinkubators weiterentwickelt und immer weiter ausgebaut.

Nach der Rückgabe werden die Jacken einer besonderen Reinigung und Pflege unterzogen. Und ja, beim Waschen ergibt sich die nächste Herausforderung!

Wasser

Das Mikroplastik im Wasser kommt nicht nur von großen Gegenständen wie Plastikflaschen, Badeschlappen oder Geisternetzen. Extrem kritisch sind winzig kleine Kunststofffasern, das sogenannte Mikroplastik, die bei jedem Waschvorgang ausgespült und über die Kanalisation in unsere Flüsse und Seen und schlussendlich Meere gelangen. Gerade an den feinen Faserpartikeln lagern sich Giftstoffe besonders gut an und gelangen so neben dem Mikroplastik selbst akkumuliert in unsere Nahrungskette.

Darum wird bei Nadine mit einem Waschsack, dem „Guppyfriend“ gewaschen, der in seinem feinen Gewebe die ausgespülten Fasern auffängt und so die Kontamination von Gewässern weitgehend vermeidet.

Nadine Schratzberger & Michael Friedmann. Foto: ICT Impact GmbH

„Wäschst Du nicht auch schon damit?“, fragt mich Nadine. Leicht errötet verneine ich und besorge mir schon am nächsten Tag einen für zu Hause!

Montreet ist in 2 Shops in Wien, einem in München und einem in Zürich vertreten. Der Großteil wird online verkauft — und das auch nachhaltig, z.B. über den eigenen MONTREET Shop oder auch über den Shop von iconity.

Mit 3% des Gesamtumsatzes finanziert MONTREET Schulworkshops von GLOBAL2000 zu umweltrelevanten Themen an Schulen.

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