Grüner Champagner für 44.000 LKW

Warum soll der “Champagner der Energiewende” gerade in schweren Nutzfahrzeugen seinen Einsatz finden? Und welche Strategien machen Sinn, um den Sektor Verkehr bis 2040 auf Klimaneutralität umzustellen.

Um Österreichs Klimaziele von Null Emissionen bis 2040 zu erreichen, müssen alle Bereiche, Branchen und Sektoren auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Der Verkehr trägt nach der Industrie mit 30%, also rund 24 Mio. t CO2, den zweitgrößten Anteil an den österreichischen Gesamt-Treibhausgasemissionen.

Quelle: Umweltbundesamt 2021

Der Löwenanteil von annähernd 15 Mio. t CO2e wird durch die rund 5 Mio. PKW auf Österreichs Straßen verursacht. Der nationale Flugverkehr, die inländische Schifffahrt, die Eisenbahn und Krafträder verursachen in Summe ca. 1 Mio. t CO2e. Auf LKW entfällt der Rest von ca. 8 Mio. t CO2e. Dies entspricht 10% aller österreichischen Treibhausgasemissionen.

Quelle: Umweltbundesamt

Der Anteil des Kraftstoffexports beträgt für alle Verkehrsmittel ca. 7 Mio. t CO2e. Hierbei handelt es sich um jenen Kraftstoff, der in Österreich getankt jedoch nicht verfahren wird. D.h. diese Emissionen werden über anderen Staatsgebieten, z.B. Deutschland oder Italien, freigesetzt.

Auch wenn das Wettrennen um die ideale Antriebskonfiguration der Zukunft noch nicht final entschieden ist, so zeichnen sich bereits jetzt sehr wahrscheinliche Zielpfade ab: Danach werden kleinere und mittelgroße PKW künftig rein elektrisch, d.h. mit Batterien betrieben (BEV = Battery Electric Vehicle). Ab einer gewissen Größe und Reichweite beginnt der Energieträger Wasserstoff Sinn zu machen und wird mittels Brennstoffzelle verstromt. Der Antrieb selbst erfolgt elektrisch und die Fahrdynamik wird über eine Pufferbatterie ermöglicht (FCEV = Fuel Cell Electric Vehicle). In der Luftfahrt aber auch in der Schifffahrt geht man derzeit davon aus, dass sogenannte e-Fuels, also flüssige synthetische Kraftstoffe auf Basis erneuerbarer Energien zum Einsatz kommen werden.

Quelle: Hydrogen Council


Österreichs LKW Flotte besteht aus über 400.000 Fahrzeugen kleiner 3,5 t, gut 10.000 Fahrzeuge zwischen 3,5 und 12 t und 44.000 Fahrzeugen über 12 t höchstzulässiges Gesamtgewicht. Die kleineren Fahrzeuge werden sehr wahrscheinlich auch bei größeren Tagesetappen rein batterieelektrisch betrieben werden. Ein Großteil der LKW bis 12 t ist im urbanen Logistikeinsatz mit geringeren Kilometerleistungen und wird daher auch sehr wahrscheinlich ohne ein Brennstoffzellensystem auskommen. Konzentrieren wir uns also für die weiteren Überlegungen auf Gruppe der schweren Nutzfahrzeuge über 12 t, für die aufgrund von Gewicht und geforderter Reichweite der Einsatz von Wasserstoff auf jeden Fall sinnvoll erscheint.

Bei einer durchschnittlichen jährlichen Fahrleistung von 150.000 km und einem Verbrauch von 32 Liter Diesel pro 100 km ergibt sich mit 2,6 kg CO2 pro Liter Diesel eine jährliche Gesamtemission von ca. 125 t CO2 je Fahrzeug. In Summe sind das annähernd 5,5 Mio. t CO2 pro Jahr und damit mehr als 68% der Emissionen aller LKW.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Logistikaufwand auf Österreichs Straßen künftig stagniert (was jedoch eher unwahrscheinlich ist), so stellt sich die Frage, wie eine Umstellung der schweren LKW auf Wasserstoffantrieb möglich gemacht werden kann und welche Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen.

Aufgrund des besseren Wirkungsgrades einer Brennstoffzelle gegenüber einem Verbrennungsmotor, muss rund 30% weniger Energie in Form von Wasserstoff verglichen mit jener aus Diesel dem Fahrzeug zugeführt werden, um die selbe Energiemenge auf die Räder zu bringen (Fahrenergie).

Diesel:
Durchschnittlicher Verbrauch: 32 l Diesel/100 km
Energieinhalt Diesel: 9,8 kWh/l
Energetischer Verbrauch: 313,6 kWh/100 km
Wirkungsgrad Dieselmotor: ca. 40%
Energiebedarf für das Fahren: 125 kWh/100 km (Fahrenergie)

Wasserstoff (H2):
Fahrenergie: 125 kWh/100 km (gleich wie beim Diesel)
Wirkungsgrad Brennstoffzelle: ca. 60%
Energetischer Verbrauch: 209 kWh/100 km.
Energieinhalt H2: 33 kWh/kg
Durchschnittlicher Verbrauch: ca. 6,3 kg H2/100 km

Der Verbrauch an Wasserstoff für die durchschnittliche jährliche Fahrleistung eines LKW von rund 150.000 km ergibt sich somit zu 9.400 kg pro Jahr. Für die gesamt österreichische Fahrzeugflotte von 44.000 LKW benötigt man dann etwa 414.000 t H2 jährlich. Möchte man diesen Wasserstoff elektrolytisch mit einem Wirkungsgrad von 70% herstellen, erfordert dies annähernd 20 TWh (also 20.000.000.000 kWh) elektrische Energie. Das ist beispielsweise um ca. 10 TWh mehr, als man für den Betrieb aller PKW in Österreich bräuchte, würden diese rein elektrisch angetrieben werden.

Zum Vergleich: derzeit werden in Österreich jährlich ca. 70 TWh elektrische Energie erzeugt. 80% davon sind erneuerbar, der Großteil kommt aus der Wasserkraft. Alle Laufkraftwerke Österreichs zusammen liefern rund 22 TWH Strom im Jahr.

Die derzeit größten Elektrolyseanlagen in Österreich sind jene der voestalpine und die geplante Anlage der OMV, die 2023 in Betrieb gehen und mit einem geschätzten Energiebedarf von 85 GWh jährlich bis zu 1.500 t grünen Wasserstoff produzieren soll. Es bräuchte also die 200-fache Anlagenkapazität für die Umstellung der schweren Nutzfahrzeuge auf Wasserstoffantrieb. In einer ähnlichen Dimension bewegt sich auch die erforderliche Energiemenge, um Wasserstoff für die Erzeugung von “Green Steel” herzustellen.

Woher kommt künftig der grüne Wasserstoff?

Österreich plant den Aufbau von eigener Elektrolysekapazität in der Größenordnung von 1 bis 2 GW Elektrolyseleistung. Daraus lassen sich rund 150 bis 250.000 t Wasserstoff gewinnen, wofür 6 bzw. 12 TWh erneuerbarer Strom aufgebracht werden müssen. Gebraucht wird jedoch wesentlich mehr: 500.000 t H2 für die Herstellung von Green Steel und mehr als 400.000 t H2 für die schweren Nutzfahrzeuge. Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Anwendungen z.B. in der chemischen Industrie, die derzeit mit 140.000 t grauem Wasserstoff aus Erdgas versorgt werden. Darüber hinaus wird grüner Wasserstoff eine entscheidende Rolle für das Stabilisieren der durch erneuerbare Energien gespeisten Stromnetze spielen!

Wie groß der Gesamtbedarf sein wird, ist derzeit noch unklar, aber es ist sehr wahrscheinlich unmöglich, die gesamten dafür notwendigen erneuerbaren Energiemengen in Österreich darzustellen — daher ist vielmehr geplant, grünen Wasserstoff aus Regionen mit hohem Wind- und Sonnenaufkommen zu importieren.

Globale Wind- und PV-basierte Wasserstoffkosten. Quelle: IEA 2019

Auf obiger Karte ist leicht zu erkennen, in welchen Regionen künftig grüner Wasserstoff ökonomisch sinnvoll via Elektrolyse aus Grünstrom hergestellt werden kann. So hat Australien das Ziel, bis 2030 Wasserstoff um 2 AUD/kg (entspricht 1,4 USD/kg) herzustellen. Ein ähnliches Ziel verfolgt Chile. Aus diesen Ländern, aber auch aus Nordafrika, soll grüner Wasserstoff künftig nach Europa geliefert werden.

Das Projekt “Green Hydrogen @ Blue Danube” von Verbund und anderen Partnern zielt beispielsweise auch darauf ab. Es ist geplant, über 100.000 t grünen Wasserstoff aus Wind- und Solarstrom aus Rumänien nach Österreich und Bayern zu transportieren. Damit könnte beispielsweise künftig ein Viertel aller österreichischen LKW betrieben werden.

Nicht der Preis je kWh ist entscheidend, sondern der Preis je km!

Aufgrund des besseren Wirkungsgrades der Brennstoffzelle gegenüber dem Dieselmotor, muss für die selbe Fahrenergie auch weniger Energie in Form von Wasserstoff “getankt” werden. (Wird der Wasserstoff elektrolytisch hergestellt, so verpufft dieser energetische Vorteil allerdings, da die Elektrolyse selbst einen Wirkungsgrad von ca. 70% aufweist.)

Die Kosten an der Zapfsäule von derzeit 9 bis 9,50 EUR/kg Wasserstoff beinhalten natürlich neben der Herstellung auch die Lagerung, den Transport und die Verteilung bzw. das Heben des Druckniveaus auf die derzeit technischen Drücke von 350 oder 700 bar. Entsprechend den vorhin erwähnten Wasserstoffstrategien einzelner Vorreiterstaaten wie Australien, Chile, Deutschland und den Niederlanden lässt sich ableiten, dass sich bis 2030 die Herstellkosten von grünem Wasserstoff nach unten entwickeln werden und Zielgrößen von 1,5 USD/kg H2 möglich sein werden. Mittelfristig erscheinen Wasserstoffpreise um 5 bis 6 EUR/kg als durchaus realistisch.

Wenn man die Mehrkosten für einen Wasserstoff LKW (H2 Truck Premium), die derzeit in Größenordnungen zwischen 300 und 400 TEUR liegen, berücksichtigt, kann abgeschätzt werden, dass sich ab einem Preis von 6 EUR/kg H2 und einem H2 Truck Premium von 150 TEUR der Wasserstoffantrieb zu rechnen beginnt, insbesondere, wenn der CO2 Preis weiter steigt.

Vergleich der erzielbaren Fahrtstrecke pro EUR. Quelle: ICT Impact GmbH

Werden die Mehrkosten für einen Wasserstoff LKW beispielsweise wie in Deutschland zu 80% gefördert, so ist der Wasserstoffantrieb auch mit einem Wasserstoffpreis von 9 EUR/kg konkurrenzfähig, wenn der CO2 Preis wie beispielsweise in Schweden bei 120 EUR/t liegt.

Wohin geht die Reise?

Branchenexperten sind sich einig — die Zukunft der Transportlogistik liegt im Wasserstoff. Nun liegt es nur mehr daran, konkrete Schritte zu setzen und ambitionierte Pilotprojekte zu starten!

So unterzeichneten OMV und Post ein Abkommen, um bis zum Jahr 2030 2.000 Wasserstoff-LKW auf Österreichs Straßen zu bringen. Die österreichische Supermarktkette MPREIS setzte bereits einen pionierhaften Schritt und bestellte 70 Wasserstoff LKWs, die in den nächsten Jahren zum Einsatz kommen sollen. Und AVL und HyCentA forschen schon seit Jahren mit zunehmender Intensität höchst erfolgreich am Thema Wasserstoff!

Doch auch wenn diese ersten Aktivitäten vielversprechend sind, so ist es doch noch ein weiter Weg. Aus der österreichischen Zulassungsstatistik ist ersichtlich, dass jährlich rund 2.500 LKW neu zugelassen werden. Das bedeutet, dass spätestens ab 2023 jeder neue LKW bereits ein Wasserstoff LKW sein müsste, damit die gesamt Flotte der schweren Nutzfahrzeuge entsprechend dem österreichischen Regierungsprogramm bis 2040 klimaneutral fährt! So wie es derzeit aussieht, wird der Startzeitpunkt für die sukzessive Flottenumrüstung wohl eher erst ab 2028 starten. Denn dann werden sehr wahrscheinlich erste Serienchassis mit Wasserstoffantrieb von allen namhaften Herstellern verfügbar sein. Dafür müssen in Österreich dann auch zumindest 5 bis 10 LKW-Wasserstofftankstellen errichtet und mit grünem Wasserstoff versorgt werden.

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Der Druck in der Lieferkette steigt!