Wie geht Energiewende? Oder warum wir uns darauf verlassen können, dass sie funktionieren wird! Eine Annäherung.

Die rasche und wirtschaftlich tragbare Umsetzung der Energiewende spielt eine entscheidende Rolle beim Kampf gegen die Klimakrise. Die Transformation erfordert größte Anstrengungen, sowohl in wirtschaftlicher, technologischer, aber auch in sozialer und politischer Hinsicht.

Der größte Anteil der CO2 Emissionen kommt aus der Verbrennung von fossilen Energieträgern, allen voran Kohle, Erdöl und Erdgas, vor allem für die Hauptsektoren Elektrizität, Mobilität/Transport und (Prozess-)Wärme für Gebäude und die Industrie.

Die Dekarbonisierung (besser „Defossilisierung“) wird daher hauptsächlich über die Transformation unserer Energiesysteme vorangetrieben. Hier setzt man auf den globalen Ausbau der erneuerbaren Energie, allen voran Photovoltaik (PV) und Windenergie. Der globale Energiebedarf betrug im Jahr 2024 über 160.000 TWh. Aus Abbildung 1 ist ersichtlich, dass nur etwas mehr als 10.000 TWh, also nicht einmal 6 %, aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Der Ausbau der Erneuerbaren nimmt jedoch exponentiell zu. So wurden bis zum Jahr 2023 in Summe mehr als 3.800 GW Leistung installiert, der Großteil davon in China (1).

Abb. 1: Globaler Primärenergieverbrauch (eigene Darstellung)

Datenquelle: Our World in Data basierend auf Energy Institute – Statistical Review of World Energy 2024 und Smil 2017

Auf Basis des immens hohen Anteils der fossilen Energieträger, scheint es zunächst unwahrscheinlich bis unmöglich, diese in den nächsten 30 bis 40 Jahren vollständig durch Erneuerbare zu ersetzen, zumal auch abzusehen ist, dass der globale Energiebedarf weiter steigen wird.

Shooting-Stars: Die Entwicklung von PV und Wind

In Abbildung 2 ist zu erkennen, dass die Entwicklung von PV & Wind wesentlich schneller von statten geht als der Anstieg der fossilen Energieträger. Die Entwicklung von PV und Wind verläuft seit 15 Jahren stark exponentiell und erreichte nach nicht einmal 25 Jahren 10.000 TWh. Die Entwicklung von Kohle, Erdöl und Erdgas benötigte für das Erreichen dieser Energiemenge mehr als doppelt bis dreimal so lange, nämlich ca. 50 Jahre bei Öl und Erdgas und über 80 Jahre bei Kohle. Die Kernenergie hat dieses Level bis dato nicht erreicht und es sieht auch nicht so aus, als ob ein starker Anstieg kurz bevorsteht. Der Vollständigkeit halber sei auch erwähnt, dass die Entwicklung der Wasserkraft über 100 Jahre gebraucht hat, um das aktuelle Niveau von PV und Wind zu erreichen. Auch hier sind die weiteren Ausbaupotenziale eher überschaubar.

Abb. 2: Globale Entwicklung der Primärenergieverbräuche (eigene Darstellung)

Kohle ab 1850, Erdöl und Hydro ab 1910, Erdgas ab 1920, Nuklear ab 1965, PV und Wind ab dem Jahr 2000; Eigene Darstellung; Datenquelle: Our World in Data basierend auf Energy Institute - Statistical Review of World Energy 2024 und Smil 2017

Eigentlich braucht es nur die Nutzenergie!

Energie liegt in verschiedenen Umwandlungsstufen vor (siehe Tabelle 1). Die Umwandlung von einer Energieform in eine andere ist irreversibel und immer mit Verlusten verbunden. In diesem Zusammenhang spricht man auch vom zweiten Hauptsatz der Thermodynamik: die Entropie (also die Unordnung, z.B. in Form von nicht nutzbarer Abwärme) nimmt bei jeder energetischen Umwandlung zu. Die nutzbare Energie (auch als “Exergie” bezeichnet) nimmt dabei ab und es entsteht im gleichen Ausmaß Energie, die nicht mehr oder nur wesentlich schlechter genutzt werden kann (diese nennt man “Anergie”). Die gesamte Energiemenge bleibt damit konstant (Energie kann ja bekanntlich nicht vernichtet werden – erster Hauptsatz der Thermodynamik).

Tabelle 1: Energetische Umwandlungsstufen

Für uns ist in letzter Konsequenz nur die Nutzenergie, also die tatsächlich genutzt Energie z.B. für den Antrieb von Fahrzeugen und Maschinen, als Heizenergie für Gebäude oder industrielle Prozesse, für Beleuchtungen und für den Betrieb von elektronischen Geräten wichtig. Es ist wirklich interessant, aber viel mehr machen wir mit der Energie auch nicht!

Vergleicht man nun die Entwicklung der Erneuerbaren auf Basis des Nutzenergieverbrauchs, sieht das Bild noch wesentlich optimistischer aus (siehe Abbildung 3).

Es ist deutlich zu erkennen, dass die Nutzenergie aus PV und Wind mit jener von Erdöl bereits in einigen Jahren (geschätzt bis 2035) gleichziehen kann! Ab diesem Zeitpunkt leisten die Erneuerbaren bereits dieselbe energetische Leistung wie der aktuell mächtigste globale Energieträger: Erdöl, das knapp ein Drittel des weltweiten Primärenergieverbrauchs ausmacht.

Abb. 3: Globale Nutzenergie aus PV und Wind im Vergleich zu Erdöl (eigene Darstellung)

Berücksichtigte Wirkungsgrade: System Erdöl 87%, Nutzung Erdöl 35%, System Strom 95%, Nutzung Strom 75%; Datenquelle der Primärdaten: Our World in Data basierend auf Energy Institute - Statistical Review of World Energy 2024 und Smil 2017

Warum ist das so? Beispielsweise kann für die Nutzung von Diesel oder Benzin für Mobilitätsanwendungen von Systemverlusten von der Rohölförderung über Transport und Raffinerie bis zur Tankstelle (well to tank) von ca. 13% ausgegangen werden. Zusätzlich müssen die Verluste im Verbrennungsmotor und durch den Antriebsstrang in der Höhe von ca. 65% in Betracht gezogen werden (tank to wheel). Daraus folgt ein Gesamtwirkungsgrad von rund 25% (well to wheel). Im Gegensatz dazu entstehen bei der Energieerzeugung aus PV und Wind Systemverluste von rund 5% und bei der Energienutzung in elektrisch betriebenen Fahrzeugen von ca. 25%. Dies führt zu einem Gesamtwirkungsgrad für die Erneuerbaren in Mobilitätsanwendungen von über 70%.

Ein ähnliches Bild ergibt sich für den Einsatz von Wärmepumpen: hier sind für 1 kWh erzeugte Wärme in der Regel zwischen 0,25 bis 0,35 kWh elektrische Energie erforderlich. Das Verhältnis der Nutzenergie bei fossilen Heizsystemen im Vergleich zu Wärmepumpen sieht somit ähnlich aus: Auch hier geht die Schere weit auseinander und für das Erreichen derselben Heizleistung müssen bei Wärmpumpen nur 20 bis maximal 35% des fossilen Primärenergieeinsatzes in Form von elektrischer Energie aufgewendet werden.

Ähnlich schlecht ist es auch um die Effizienz bei der Stromerzeugung in kalorischen Kraftwerken bestellt! Der energetische Wirkungsgrad für die reine Stromerzeugung aus Kohle oder Erdgas liegt in der Regel bei rund 35%. Der Wirkungsgrad verbessert sich, wenn zugleich noch Wärme erzeugt wird, auf ca. 70% - das macht jedoch in der Regel nur im Winter wirklich Sinn, denn im Sommer bzw. in südlichen Regionen gibt es für die so erzeugte Wärme nur wenige Abnehmer

Da sich die Erneuerbaren PV und Wind und die Anwendungstechnologien wie Wärmepumpen, Batterieelektrische Antriebssysteme (2) und stationäre Stromspeicher (3) exponentiell entwickeln, ist davon auszugehen, dass nach 2035 der nächste große Entwicklungsschritt, also eine weiter Verdopplung der Nutzenergiemenge auf ca. 30.000 TWh, in einem noch kürzeren Zeitintervall von statten gehen wird. Es ist durchaus realistisch, dass dies bis spätestens 2045 passieren wird – vielleicht schon früher. Dann kann zusätzlich zum Erdöl auch das Erdgas durch erneuerbare Energien abgedeckt werden.

Nun muss nur noch die gute alte Kohle substituiert werden! Beschleunigt sich dann der Ausbau der Erneuerbaren weiter, dann wird es vermutlich nur noch einige wenige weitere Jahre dauern, bis auch die Nutzenergie der Kohle durch die Erneuerbaren abgedeckt werden kann. Darüber hinaus werden wir durch neue, wasserstoffbasierte Verfahren bei der Eisenherstellung auf Kohle als Reduktionsmittel in Hochöfen verzichten können (4). Klar ist, dass die fossilen Energieträger nicht so sequenziell wie eben exemplarisch dargestellt durch Erneuerbare ersetzt werden – dieser Prozess wird vielmehr parallel ablaufen. Auf jeden Fall spricht einiges dafür, dass die globale Energiewende, unter Beachtung des tatsächlichen Energieverbrauchs der Menschheit (also der globalen Nutzenergie), bis 2050 Realität werden kann!

Die globale Energiewende – ein MÖGLICHES Zukunftsszenario

Die Energiewende bedeutet damit im Wesentlichen eine Elektrifizierung unseres gesamten Energiesystems, bestmöglich auf Basis der Erneuerbaren PV, Wind und Wasserkraft. Die damit einhergehenden technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen sind mannigfaltig. Ein wesentlicher Aspekt, auf den hier jedoch nicht näher eingegangen wird, betrifft die für den Aufbau eines erneuerbaren Energiesystems erforderlichen Rohstoffe und die mit dem Rohstoffabbau, der Verarbeitung und Errichtung der erneuerbaren Infrastruktur verbundenen Treibhausgasemissionen (5).

In Abbildung 4 ist ein mögliches zukünftiges Szenario für den Primärenergieverbrauch dargestellt, in welchem der Großteil der fossilen Energieträger bis 2050 reduziert und der Ausbau der Erneuerbaren massiv vorangetrieben wird. Aus Sicht der Primärenergie entsteht dabei eine enorme Lücke von über 50.000 TWh weltweit (dies entspricht ca. 30%)!

Abb. 4: Globaler Primärenergieverbrauch und mögliches Szenario (eigene Darstellung)

Datenquelle: Our World in Data basierend auf Energy Institute – Statistical Review of World energy 2024 und Smil 2017; mögliches zukünftiges Szenario: ICT Impact GmbH

Für die grobe Abschätzung dieses möglichen Szenarios haben wir den zukünftigen gesamten Bedarf an Nutzenergie auf Basis des aktuellen durchschnittlichen jährlichen pro-Kopf Verbrauchs von rund 13 TWh pro Million Menschen (also rund 13 MWh pro Erdenbürger) und einer prognostizierten Bevölkerungsentwicklung von 8 auf 10 Milliarden Erdbewohner bis 2070 extrapoliert. Dieses Szenario ist durchaus bewusst etwas progressiver gewählt als die aktuellen Prognosen vorhersagen (6). Laut aktuellen Studien ist davon auszugehen, dass die Bevölkerungsanzahl nach dem Erreichen des 10 Milliarden-Levels stagniert bzw. bis ins Jahr 2100 wieder leicht rückläufig ist. Wie in Abbildung 5 ersichtlich, nähert sich in der Zukunft der spezifische Primärenergieverbrauch pro Kopf schrittweise dem spezifischen Nutzenergieverbrauch an, da immer mehr erneuerbare Energie und elektrifizierte Nutzungsformen wie die elektrische Mobilität und Wärmepumpen verfügbar sein werden.

Abb. 5: Globaler spezifischer Primär- und Nutzenergieverbrauch je Mio. Einwohner und mögliches Szenario (eigene Darstellung)

Datenquellen: Our World in Data; Energiedaten basierend auf Energy Institute – Statistical Review of World energy 2024 und Smil 2017; mögliches zukünftiges Szenario: ICT Impact GmbH

Vergleicht man nun dieses mögliche zukünftige globale Szenario unter dem Aspekt der Nutzenergie, dann versteht man recht schnell, dass die globale Energiewende nicht zu einem Mangel an Energie führen muss! Die durch die Erneuerbaren zur Verfügung gestellte Energie sollte auch reichen, eine weiterhin wachsende globale Bevölkerung adäquat zu versorgen (siehe Abbildung 6).

Abb. 6: Globaler Nutzenergieverbrauch und mögliches Szenario (eigene Darstellung)

Datenquelle: Our World in Data basierend auf Energy Institute – Statistical Review of World energy 2024 und Smil 2017; mögliches zukünftiges Szenario: ICT Impact GmbH

Man kann sehr deutlich erkennen, dass die Erneuerbaren unter Berücksichtigung der energetischen Wirkungsgrade die fossilen Energieträger in Zukunft nicht nur kompensieren, sondern auch einen höheren Nutzenergieverbrauch für die steigende Weltbevölkerung abdecken können.

Die großen Herausforderungen

Eine noch zu lösende Aufgabe ist die Herstellung einer stabilen Infrastruktur durch Verstärkung der Stromnetze und Erhöhung der Speicherkapazitäten zum einen für den Ausgleich der volatilen Stromproduktion durch Pump- und Batteriespeicher (Tag-Nacht-Ausgleich) und zum anderen mit Hilfe von klimaneutralen chemischen Energiespeichern, allen voran Wasserstoff (4), für den energetischen Ausgleich zwischen Sommer und Winter (zumindest in der nördlichen Hemisphäre). Diese Themen sind sowohl technologisch als auch wirtschaftlich durch das schrittweise Zurückfahren der massiven fossilen Subventionen und in weiterer Folge auch durch die kontinuierliche Reduktion der Ausgaben für die fossilen Energieträger selbst durchaus darstellbar. Die grundsätzliche Schwierigkeit dabei ist neben dem Umbau sehr großer fossiler Industriezweige vor allem die wirtschaftliche Abhängigkeit von ganzen Staaten wie z.B. Russland von fossilen Energieexporten. Dies führt auch heute schon zu großen geopolitischen Konflikten und Kriegen!

Darüber hinaus ist noch eine weitere Frage, nämlich die Verteilungsfrage zu lösen: Der durchschnittliche pro-Kopf Energieverbrauch darf nicht mehr weiter steigen! Bedenkt man einen weiteren Bevölkerungszuwachs von ca. 2 Milliarden Menschen (insbesondere in Afrika), dann muss der globale Norden zumindest einen substanziellen Anteil seines überproportional großen Energie-Tortenstücks abgeben, damit auch andere Länder mit ausreichend Nutzenergie versorgt werden können. Dieser Anteil liegt in einer Größenordnung von zumindest 25%. Das Abgeben von Nutzenergie fällt natürlich umso geringer aus, je mehr Erneuerbare in den reichen Ländern ans Netz gehen können! Auch das gilt es zu bedenken, wenn gegen Windkraft und für „Technologieoffenheit“ mit ihren in der Regel enormen Effizienzverlusten durch viele Umwandlungsschritte argumentiert wird!

Jedenfalls wird es künftig wichtig sein, dass der globale spezifische Nutzenergieverbrauch pro Kopf zumindest nicht mehr weiter ansteigt. Möchten wir im reichen globalen Norden auf unseren jetzigen Energiebedarf nicht verzichten (und vieles spricht dafür), dann müssen noch mehr Erneuerbare ans Netz gehen. Dies bedeute aber nicht nur zusätzliche Kosten, sondern auch einen weitaus höheren Ressourcenverbrauch inklusive der damit verbundenen enormen Treibhausgasemissionen (5)!

In einer vollständig elektrifizierten Welt entspricht die Primärenergie in etwa der Nutzenergie! Die Bewältigung der Transformationsaufgabe erfordert das Verständnis für die Gesamtzusammenhänge und den politischen Willen der Bevölkerungen der reichen Staaten, um globale Verteilungsgerechtigkeit und einen sozial faire Transformation zu gewährleisten!

 Conclusio

 Das heißt…

  1. Wir müssen den Nutzenergieverbrauch vergleichen – und nicht den Primärenergieverbrauch!

  2. Dieser Effekt wird fast immer unterschätzt und vor allem viel zu wenig kommuniziert!

  3. Die große Herausforderung liegt in der gerechten globalen Verteilung der Nutzenergie und in der Unterstützung für die Verlierer der Energiewende (die fossile Energieindustrie und Staaten, die von fossilen Energieexporten abhängig sind)!

Die hier vorgestellten möglichen Zukunftsszenarien, auch wenn sie nur auf Basis von groben Abschätzungen modelliert wurden, sollen das Verständnis für diese so wichtigen Zusammenhänge fördern und vor allem sollen sie Mut machen, um endlich aus dem fossilen Mittelalter aktiv auszusteigen und daran zu glauben, dass die Energiewende funktionieren wird! Dafür ist es aber unbedingt notwendig, dass wir im reichen Norden vorangehen und die richtigen Schritte setzen!

 

Gerne unterstützen wir Sie bei der Optimierung Ihrer Energiesysteme und bei der Elektrifizierung Ihrer Fahrzeuge und Maschinen!

https://www.ict-impact.com/cleantech-engineering

 

Literatur:

(1)      IEA 2024, Renewables 2024

(2)      ICT Impact GmbH 2025, Penz, Die Zukunft fährt elektrisch - Antriebe im Schwerlastverkehr im Vergleich — ICT Institute for Clean Technology

(3)      ICT Impact GmbH 2025, Friedmann, Die Wirtschaftlichkeit von stationären Stromspeichern in der Praxis  — ICT Institute for Clean Technology

(4)      ICT Impact GmbH 2022, Wasserstoffstudie Österreich

(5)      Profil 2021, Höber, Erneuerbare Energien: Warum die Rechnung nicht aufgeht [abgerufen am 28.12.2024]

(6)      United Nations Department of Economic and Social Affairs (UN DESA) (Population Division)

Nachdruck nur auszugsweise und mit genauer Quellenangabe gestattet.

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